Der Protein-Ingenieur
Tom Edwardson ver?nderte eine k¨¹nstliche winzige Proteinstruktur, um sie als Vehikel f¨¹r RNA-Molek¨¹le und andere Wirkstoffe nutzen zu k?nnen. Seine Entwicklung m?chte er nun in einem Spin-off zur Marktreife bringen.
Nicht immer ist es einfach, Wirkstoffmolek¨¹le im K?rper heil an die gew¨¹nschte Wirkungsstelle und ins Innere von Zellen zu bringen. Denn einige dieser Molek¨¹le zerfallen schnell, und die Zellen nehmen viele Molek¨¹le nicht ohne Weiteres in sich auf. Dazu geh?ren auch RNA-Molek¨¹le. Um sie als Wirkstoffe nutzen zu k?nnen, brauchen sie ein Transportsystem. Bei den auf RNA basierenden Covid-Impfstoffen zum Beispiel wird die RNA in ein Lipid-Nanopartikel gepackt. Ein Nachteil dabei: Diese Partikel sind bei Umgebungstemperatur nicht lange stabil.
Tom Edwardson, Wissenschaftler am Department Chemie und Angewandte Biowissenschaften, hat in den vergangenen Jahren eine andere neuartige Schutzh¨¹lle entwickelt, mit der RNA-Molek¨¹le sehr einfach verpackt und gesch¨¹tzt werden k?nnen. Es handelt sich dabei um einen mikroskopisch kleinen K?fig, der aus 24 gleichen Proteinen zusammengesetzt ist. Aufgrund seiner geringen Gr?sse kann dieser K?fig zwar nicht ein ganzes mRNA-Molek¨¹l aufnehmen wie ein Lipid-Nanopartikel bei den aktuellen Covid-Impfstoffen. Doch Edwardson kann in seinen Proteink?fig kleinere RNA-Molek¨¹le unterbringen, die ben?tigt werden, um die Aktivit?t einzelner Gene in Zellen gezielt zu hemmen, sogeannte ?small interfering RNA?.
Viel gereist
Edwardson kam vor sechs Jahren in die Schweiz. Urspr¨¹nglich stammt er aus Schottland. Nach seinem Chemiestudium reiste er zun?chst durch Asien, arbeitete in Korea l?nger als Englischlehrer und doktorierte schliesslich in Montreal. Dass er anschliessend f¨¹r ein Postdoc nach Z¨¹rich gekommen ist, hat nicht nur mit ETH-Professor Donald Hilvert und der ETH Z¨¹rich zu tun, sondern auch mit den Alpen und den M?glichkeiten, hier ausgiebig klettern zu k?nnen. Denn das Klettern ist eine seiner grossen Leidenschaften. So ist er fast jedes Wochenende an einem Kletterfelsen anzutreffen, in den Alpen oder im Jura.
Sein zweites Hobby ist das Bierbrauen. ?Ich habe in Kanada damit angefangen, gemeinsam mit einem Freund, der auch Chemiker ist?, sagt Edwardson. ?Bierbrauen ist das perfekte Hobby f¨¹r Chemiker, es ist nichts anderes als Verfahrenstechnik?, sagt er mit einem Lachen, das typisch ist f¨¹r ihn. Mittlerweile ist er nicht nur der Hoflieferant f¨¹r Bier seiner Forschungsgruppe, sondern nimmt auch an Brauwettbewerben teil und f¨¹hrt j¨¹ngere Arbeitskollegen in sein Hobby ein.
Einfach zu beladen
Ebenso leidenschaftlich ist er bei der Arbeit, den Proteink?figen, die sich in Bakterien mittels Biotechnologie sehr einfach herstellen lassen. ?Jeweils 24 einzelne Proteine setzen sich selbstorganisierend zu einem W¨¹rfel zusammen. Ich war ¨¹berw?ltigt, als ich dies zum ersten Mal sah?, sagt Edwardson. Und w?hrend andere Molek¨¹lschutzh¨¹llen wie zum Beispiel die Lipid-Nanopartikel bei der Herstellung unterschiedlich gross werden, haben die Proteink?fige alle die genau gleiche Form und Gr?sse. ?Das ist ideal, denn die Gr?sse beeinflusst die Eigenschaften von Medikamenten, zum Beispiel ob und wie gut sie von Zellen aufgenommen werden?, erkl?rt der Chemiker.
Ein weiterer Vorteil der Proteink?fige gegen¨¹ber anderen M?glichkeiten, kleine Wirkstoffmolek¨¹le zu sch¨¹tzen: Sie k?nnen problemlos w?hrend Monaten bei Umgebungstemperatur aufbewahrt werden, bed¨¹rfen also keiner K¨¹hlung. Und schliesslich haben die w¨¹rfelf?rmigen K?fige auf allen Seiten eine kleine ?ffnung, was das Beladen mit dem molekularen Transportgut sehr einfach macht: Die Proteink?fige k?nnen in grosser Menge hergestellt werden und nachtr?glich mit dem Transportgut gef¨¹llt werden. ?Man k?nnte sie sogar mit patientenspezifischen RNA-Wirkstoffen bef¨¹llen?, sagt Edwardson.
Auch f¨¹r Chemotherapie
Um die Proteinh¨¹llen zu entwickeln nutzte Edwardson eine bestehende synthetische Proteinstruktur, die andere Wissenschaftler entwickelt hatten, und er ver?nderte die Bausteinabfolge der Proteine an verschiedenen Schl¨¹sselstellen. Das Ziel war, dass im Innern des K?figs zahlreiche Atome positiv geladen sind. RNA-Molek¨¹le sind negativ geladen, womit sie durch elektrische Anziehung von alleine durch die ?ffnungen in den Proteink?fig gelangen. ?Unsere K?fige sind ein typisches Beispiel von Protein-Engineering. Wir sind heute in der Lage, Proteine gezielt zu ver?ndern, um neue molekulare Gegenst?nde zu erschaffen?, sagt Edwardson.
Mittlerweile hat Edwardson den Proteink?fig noch erweitert, indem er dessen Inneres mit einer Schicht eines Tensids ausgekleidet hat. Somit k?nnen im Innern auch wasserunl?sliche Molek¨¹le transportiert werden wie etwa Krebswirkstoffe. In Zukunft m?chte er auch das ?ussere der K?fige gezielt ver?ndern. Damit w?re es m?glich zu steuern, in welche K?rperzellen die Proteink?fige gelangen sollen. Die ETH Z¨¹rich hat Edwardsons Proteink?fige f¨¹r zwei Patente angemeldet. Er und seine Kollegen planen nun, ein Spin-off zu gr¨¹nden, um die K?fige weiterzuentwickeln und deren Marktreife vorzubereiten. ?In der Schweiz ist das Umfeld ideal, um ein Unternehmen zu gr¨¹nden?, sagt er. Ohnehin m?chte er gerne hier bleiben ¨C auch um weiterhin so nahe an guten Kletterm?glichkeiten zu sein.
Dass es wichtig ist, neben der Arbeit auch anderes zu machen, gibt er auch seinen j¨¹ngeren Kollegen in der Forschungsgruppe mit. Und dass man reisen soll, wenn man jung ist, und dass es ¨¹berhaupt nichts schadet, zwischen Studium und Doktorarbeit eine Pause zu machen, um zu arbeiten. ?Ich bereue ¨¹berhaupt nicht, dass ich als Lehrer gearbeitet habe, denn ich habe dabei viel gelernt, wovon ich noch immer profitiere.?